Tierversuche

Im Folgenden wollen wir eingehend unsere Position zu Tierversuchen darlegen. Dabei vertreten wir zum einen viele Positionen, die die Tierrechtsbewegung und die Anti-Tierversuchsbewegung im Laufe ihrer Existenz erarbeitet haben. Zum anderen üben wir jedoch auch Kritik an einigen bisherigen Argumenten gegen Tierversuche und schlagen eine Sichtweise vor, in deren Zentrum die Kritik der Gewalt an Tieren steht:

Tierversuche – systematische Gewalt an Tieren

KaninchenLaut dem von der Bundesregierung veröffentlichten, aktuellen Tierschutzbericht wurden im Jahr 2009 fast 2,8 Millionen Tiere ermordet. Im Widerspruch zu den erklärten Zielen von Regierung und Tierversuchsindustrie steigt die Zahl der Versuchstiere seit Jahren. Hinter dieser Zahl stehen 2,8 Millionen Individuen – einzigartige Lebewesen, deren Leben gewaltsam beendet wurde: Mäuse, Ratten, Hunde, Schweine, Katzen, Kaninchen, Affen, Vögel und viele andere Tiere. Für die betroffenen Tiere bedeutet der Tierversuch einen Prozess unbeschreiblichen Leidens. Fast jede und jeder hat schon einmal Bilder aus einem Tierversuchslabor gesehen – wir alle wissen, dass dort kein Tier “zu Tode gestreichelt” wird. Dennoch macht es für viele Menschen noch immer einen Unterschied, ob einem sogenannten Haustier oder einem sogenannten Versuchstier gewaltsam das Leben genommen wurde.

 

Stellen Sie sich einmal vor, sie wüssten, dass Ihr Nachbar einen Hund oder eine Katze in seinem Wohnzimmer so behandelt, wie es den Tieren im Tierversuchslabor ergeht: Er entzieht dem Tier die Nahrung, bricht ihm die Beine, verätzt ihm Haut und Augen mit Reinigungsmitteln, schwängert das Tier künstlich und beobachtet die schädliche Wirkung eines Umweltgiftes auf den Embryo, füttert es mit Suchtstoffen, um eine Abhängigkeit zu provozieren, etc. Nun stellen Sie sich vor, Ihr Nachbar vergiftet nicht ein, sondern hunderte Tiere, weil er wissen will, wie viele der Tiere sterben, wenn er eine bestimmte Menge eines Giftstoffes verabreicht.

Nun stellen Sie sich bitte zwei Fragen:

1. Wieso sollte es einen Unterschied machen, WO dem Tier Gewalt angetan wird?
2. Wieso sollte es einen Unterschied machen, WELCHEM Tier diese Gewalt angetan wird?

Es ist klar, dass eine Gewalthandlung nicht weniger schmerzhaft, angstauslösend, zerstörerisch und letztendlich mörderisch ist, wenn sie in einem Labor, statt einem Wohnzimmer durchgeführt wird. Ebenso sollte es aber auch klar sein, dass jedes Tier leidensfähig ist und dass sich kein Tier dieser Welt freiwillig im Versuchslabor (oder im Schlachthof) umbringen lässt. Jedes Tier ist ein Individuum, ist jemand und nicht ‘etwas’! Daher ist es für uns völlig unerheblich, WO einem Tier Gewalt angetan wird und WELCHEM Tier Gewalt angetan wird. Die Kritik der LPT-Schließen-Kampagne ist daher dezidiert eingebettet in eine generelle Kritik der Gewalt an Tieren, die in dieser Gesellschaft ein unaussprechliches Maß erreicht hat: Milliarden Tiere werden von Menschen ausgebeutet, etwa in Tiermastanlagen und Schlachthöfen, Pelzfarmen, Zoos und Zirkussen, bei der Jagd oder wo sonst Tiere von Menschen genutzt und unterdrückt werden. Tierversuche sind daher nur eine Ausprägung eines allgemeinen, gesamtgesellschaftlichen Problems. Aus Sicht der Tierrechtsbewegung zählt daher nicht der vermeintliche Nutzen der Tierversuche für Menschen, sondern die Perspektive des einzelnen Tieres, das Opfer der systematischen Gewalt in Versuchslaboren wie dem LPT wird. Jedes einzelne Tier, das bei LPT oder woanders ermordet wird, stirbt einen gewaltsamen Tod, der sich auch nicht dadurch legitimieren lässt, dass das Tier für eine vermeintlich „gute Sache“ umgebracht wurde.

Tierversuche – medizinischer Irrweg

Es sprechen auch sehr viele Argumente aus medizinischer Sicht gegen Tierversuche. Etliche MedizinerInnen und ForscherInnen lehnen Tierversuche mittlerweile aus methodologischen Gründen ab. Ein wichtiges Argument hierfür sind die berechtigten und begründeten Zweifel, dass Versuche an Tieren auf Menschen übertragbar seien. So komme es im Tierversuch oft darauf an, ein Tier bzw. eine Spezies zu finden, die nach Verabreichung einer Substanz nicht stirbt, um die Sicherheit des Produkts zu ‘beweisen’. Andere Tiere bzw. Spezies sterben jedoch nach Verabreichung derselben Substanz. Im Kern geht es bei dieser Argumentation um die Frage der Übertragbarkeit von Tierversuchen auf den Menschen (mehr Infos dazu auch unter Arbeitsgruppe Hamburg der Ärzte gegen Tierversuche).

 

Die Argumente dieser Gruppe der Tierversuchsgegner sind für die Kampagne LPT-Schließen schlüssig und nachvollziehbar. Für die LPT-Schließen-Kampagne ist es letztendlich jedoch völlig unerheblich, ob Tierversuche möglicherweise übertragbare Ergebnisse liefern könnten, denn auch Tierversuche mit übertragbaren Ergebnissen würden für die betroffenen Tiere weiterhin die Hölle auf Erden bedeuten. Wenn die Kritik an Tierversuchen nicht auf einer umfassenden Kritik der Gewalt an Tieren basiert, läuft sie Gefahr, anthropozentrisch zu bleiben. Die soeben angeführte Argumentation impliziert, dass das Kernproblem der Tierversuche nicht die Gewalthandlungen an Tieren sind, sondern die Gefahr für den Menschen, da Tierversuche keine sichere Methode seien. Würde es aber zu beweisen sein, dass ein bestimmter Tierversuch tatsächlich eindeutige und sichere Ergebnisse liefert, würde dieses Argument gegen Tierversuche nicht mehr gültig sein. Für die Kampagne LPT-Schließen ist die Kritik an Tierversuchen als Forschungsmethode daher sekundär. Stattdessen liegt für uns das Problem vielmehr in der Wissenschaftspolitik, die den Tierversuchen zugrunde liegt:

Jede moderne Wissenschaft hat eine Forschungsethik. Diese bestimmt die Grenzen möglicher Forschungsvorhaben. So gelten Menschenversuche ohne Einwilligung der Probanden als völlig illegitim. Aber innerhalb der unterschiedlichen wissenschaftlichen Felder gelten völlig unterschiedliche Maßstäbe. Ebenso gilt es etwa in den Sozialwissenschaften als selbstverständlich, dass Probanden einer Studie darüber in Kenntnis gesetzt werden, dass sie überhaupt an einer Studie teilnehmen. Forschungsethik ist ein hohes Gut und wird sehr ernst genommen. Die Diskussion um forschungsethische Grundlagen in Bezug auf Tiere wirkt im Vergleich grotesk und zynisch. Wie kann es sein, dass eine moderne Wissenschaft noch immer auf millionenfacher Tötung und Gewaltanwendung basiert? Die Kampagne LPT-Schließen fordert daher die Etablierung einer eindeutigen Forschungsethik, die die absichtsvolle Verletzung fühlender Lebewesen untersagt. Es muss zu den ethischen Grundlagen wissenschaftlicher Forschung gehören, dass sie keine Opfer produziert. So wie es völlig undenkbar ist, Medikamente, Haushaltsmittel oder Giftstoffe an Menschen gegen ihren Willen zu testen, muss es zur absoluten Selbstverständlichkeit werden, dass derartige Gewalthandlungen auch nicht an Tieren durchgeführt werden. Wenn diese Übereinkunft in allen Bereichen der Forschung anerkannt wird, wenn also alle Bereiche der wissenschaftlichen Forschung aus Eigeninteresse die alternativen Methoden weiterentwickeln und verbessern, wäre ein Ende der Tierversuche problemlos möglich. Dass Tierversuche noch immer durchgeführt werden, ist kein Resultat mangelnder Alternativen. Es liegt am mangelnden Willen der Tierversuchsindustrie, eine wahrhaft friedfertige Forschung zu realisieren, in der weder Menschen noch Tiere zu Schaden kommen.

Tierversuche als Big Business

Dieser mangelnde Wille ist unter anderem dadurch begründet, dass Tierversuche ein lukratives Geschäft sind, an dem nicht nur die VivisektorInnen verdienen: Tierzuchtkonzerne wie Marshall, Harlan oder Charles River, Transportgesellschaften wie Air France/KLM, Laborbedarfshersteller und andere Zulieferbetriebe, und nicht zuletzt Branchen wie die Pharmaindustrie, die ihre Produkte nach ‘bestandenen Tests’ auf den Markt bringen dürfen, verdienen am ‘Gewaltsystem Tierversuch’. Tierversuche sind so etwas wie die Alibi-Leistung für internationale Konzerne, um neue Produkte auf den Markt zu bringen. Medikamentenskandale von Contergan bis Lipobay haben immer wieder verdeutlicht, dass Pharmakonzerne für ihren Profit auch das Leiden und den Tod von Menschen in Kauf nehmen. Im Mittelpunkt steht selbstverständlich nicht die Heilung von Menschen, sondern die Erwirtschaftung von Profiten. Somit sind Tierversuche ein einfaches und lukratives Mittel, um Kapital zu erwirtschaften. Vor allem Pharma- und Chemiekonzerne wie Bayer, Novartis, BASF, Schering oder Astra-Zeneca, die selbst Tierversuche durchführen oder in Auftrag geben, sind maßgeblich an der Aufrechterhaltung der Tierversuchsindustrie beteiligt. Im Kapitalismus zählt nur die Erwirtschaftung von Profit und solange Unternehmen wie LPT auf Kosten der Tiere Gewinne einfahren, werden sie auch weiterhin Tiere für den Profit ermorden.

Schluss mit dem Profit auf Kosten der Tiere. LPT Schließen!


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