Veröffentlicht am 21. August 2017
Kampagne LPT-Schließen zur Sitzung des Gesundheitsausschusses am 09.06.2017 zum Thema Tierversuche in Hamburg aufgrund der Großen Anfrage der Linksfraktion (Drs.21/7594)
Kampagne LPT-Schließen zur Sitzung des Gesundheitsausschusses am 09.06.2017 zum Thema Tierversuche in Hamburg aufgrund der Großen Anfrage der Linksfraktion (Drs.21/7594)
Informationen über Tierversuche sollen, wenn es nach den Tierversuchsunternehmen geht, nicht an die Öffentlichkeit dringen. Zu groß ist die Angst vor einer öffentlichen Debatte. Eine Große Anfrage der Linksfraktion (Drs.21/7594) an den Senat zum Thema Tierversuche hätte Licht ins Dunkel bringen können. Doch viele Fragen blieben unbeantwortet.
Nachdem die Linksfraktion die Anfrage in den Gesundheitsausschuss übertragen hatte, wurde dort am 09.06.2017 in einer öffentlichen Sitzung über Tierversuche in Hamburg diskutiert. Neben dem fehlenden politischen Willen des Senates, mehr Transparenz zum Thema Tierversuche zu schaffen, wurden auch erschreckende Wissenslücken deutlich. Eine Einschätzung der Kampagne LPT-Schließen:
Senat bleibt Antworten zum Thema Tierversuche weiterhin schuldig
Die Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz bearbeitet jährlich mehrere Hundert Anträge auf Versuchsvorhaben, von städtischen Einrichtungen wie dem UKE bis hin zu privatwirtschaftlichen Unternehmen wie dem LPT. Zwar müssen die Vorhaben, Prüfsubstanzen und Zweck der Experimente dargelegt werden, eine Auswertung der Daten findet jedoch nicht statt.
Auch das Thema Gesetzesverstöße bietet reichlich Anlass zur Kritik. Verstöße in der Tierhaltung und der Versuchsdurchführung wurden eingeräumt, diese wurden aber weder straf- noch ordnungswidrigkeitenrechtlich geahndet. Die Frage, welche Unternehmen und Einrichtungen sich nicht an Vorgaben halten würden, bleibt schlicht unbeantwortet.
Politische Verantwortung wird abgeschoben
Dass Tierversuche reduziert werden und die Forschungen zu Alternativen ausgeweitet werden müssten, darüber schien man sich im Ausschuss einig. Die politische Verantwortung dafür wurde jedoch u. a. von Senatorin Prüfer-Storcks mit Verweisen auf das Bundesrecht abgeschoben. Auch eine verbesserte Dokumentation und das Schaffen von Transparenz wurde mit dem Hinweis auf die Bundesebene und der Infragestellung einer dadurch entstehenden Verbesserung für die Tiere ausgeschlossen. Insgesamt zeigte sich die bei der Sitzung anwesenden VertreterInnen der Gesundheitsbehörde wenig selbstkritisch. Es würden alle Anträge ausreichend kritisch überprüft, und nur Versuchsanträge genehmigt, zu denen es keine Alternativen gäbe. Dabei wurde im Prinzip eingeräumt, dass die Behörde mit drei für die Präfung zuständigen VeterinärInnen unterbesetzt sei.
Eklatante Wissenslücken zur medizinischen Sinnhaftigkeit von Tierversuchen
Immer wieder wurde während der Sitzung von verschiedenen Mitgliedern des Ausschusses darauf hingewiesen, dass Tierversuche schlimm seien, jedoch nunmal eine medizinische Notwendigkeit bestünde. Dass von den im Tierversuch als positiv getesteten Medikamenten 95 % bei der Anwendung auf den Menschen aufgrund von schweren Nebenwirkungen oder Unwirksamkeit scheitern und ein Drittel der verbleibenden 5 % in den Folgejahren wegen gravierender Komplikationen wieder vom Markt verschwindet*, schienen sie nicht zu wissen. Im Gegenteil: Eines der prominentesten Beispiele für das Scheitern von Tierversuchen – Contergan – wird vom FDP-Abgeordneten Dr. Wieland Schinnenburg als Beispiel angeführt, was passiere, wenn Medikamente nicht ausreichend an Tieren gestestet würden. Diese Aussage bleibt von den anderen Mitgliedern unwidersprochen. Dabei zeigt Contergan ganz deutlich, dass ein Medikament, dass im Tierversuch als ungefährlich eingestuft wurde, für den Menschen schwere Schäden zur Folge haben kann.
Zwar hät die LPT-Schliessen Kampagne Tierversuche auch bei einem tatsächlichen medizinischen Nutzen für nicht vertretbar, dennoch erwarten wir von den Mitgliedern des Gesundheitsausschusses – eines Gremiums, auf dessen Expertise sich die Hamburgerinnen und Hamburger zum Wohle ihrer Gesundheit verlassen – dass sie ihre bestehenden Wissenslücken umgehend schließen.
LPT nicht Gegenstand der Debatte
Verwundert waren wir außerdem, dass ein Unternehmen wie LPT, welches seit Jahren in der öffentlichen Kritik und Ziel zahlreicher Protestveranstaltungen geworden ist, in der Ausschuss-Debatte nicht namentlich erwähnt worden ist. So ging es zwar an einem Punkt der Diskussion um die Rechtmäßigkeit von Versuchen im Rahmen der Produktion von zu kosmetischen Zwecken eingesetzten Botox-Präperaten, die vor allem von LPT durchgeführt werden. Doch auch hier wurde von der Behörde auf mangelnde Handhabe verwiesen, und betont, dass über Informationen über Auftraggeber von Versuchen nicht vorlägen.
Hamburger Senat muss Verantwortung übernehmen
Vieles bleibt daher weiterhin im Dunkeln und die öffentliche Debatte über Tierversuche somit erschwert. Für eine politische Willensbildung innerhalb der Bevölkerung, eine politische Diskussion und entsprechende Veränderungen durch den Gesetzgeber ist es notwendige Voraussetzung, dass Bürgerinnen und Bürger sich ein umfassendes Bild über die Sachlage zur Durchführung von Tierversuchen machen können. Hierzu ist eine umfassende Erhebung und Zusammenstellung entsprechender Daten und der öffentliche Zugang zu ihnen notwendig. Da hier seitens der meisten Parteien kein politisches Interesse besteht, lassen erhebliche Zweifel gegenüber den erwähnten Beteuerungen aufkommen, man Wolle die Zahl von Tierversuchen grundsätzlich reduzieren. Der Senat spielt damit den in Hamburg ansässigen Tierversuchsunternehmen wie dem LPT dadurch in die Hände.
So lange die etablierte Politik untätig bleibt, systematische Gewalt an Tieren im Rahmen von Tierversuchen ernsthaft zu verhindern, ist zivilgesellschaftliches Engagement notwendig. Einen ersten Versuch, Informationen über die Tierversuchspraxis in einem Hamburger Unternehmen zusammen- und einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, haben wir mit einer Broschüre mit Rechercheergbnissen über das Tierversuchlabor LPT bereits unternommen.
Kampagne LPT-Schließen
*Broschüre der Ärzte gegen Tierversuche: http://www.aerzte-gegen-tierversuche.de/images/infomaterial/hinschauen.pdf